CCPY Update 101 - Februar 1999

Aus der Sicht der Yanomami

Rückblick auf das vergangene Jahr und neue Herausforderungen

1. SRECHER DER YANOMAMI TREFEN SICH UND SCHICKEN EINEN BRIEF AN DEN PRÄSIDENTEN

1998 war ein schlechtes Jahr für die Yanomami: nachdem ihr Territorium von Bränden und Rauch heimgesucht worden war, zog eine Reihe von Epidemien über das Gebiet hinweg, wie Atemwegserkrankungen, Diarrhö und Malaria, Krankheiten, welche wieder einmal ihr überleben gefährden. Insgesamt starben 107 Yanomami, darunter 31 Kleinkinder mit weniger als einem Jahr.

Zwischen dem sechsten und dem elften Dezember trafen sich 78 Anführer aus 16 Regionen zur sechsten Yanomami-Versammlung in Paapiu, um über die Situation zu diskutieren. Sie verfassten einen offenen Brief an Präsident Cardoso, den Justizminister und den Präsidenten der FUNAI, in dem sie ein Vorgehen gegen die Garimpeiros, die die Goldsuche nicht aufgegeben haben, anmahnen.

"Wir sind nicht hierher gekommen um Zeit zu verschwenden. Wir sind hierher gekommen um unseren Wald zu verteidigen. Die Goldgräber dringen weiterhin in unser Land ein. Sie fahren damit fort, unsere Bäche und Flüsse zu verschmutzen. Weil Ihr schon seit so langer Zeit in unser Land eindringt, möchten wir Euch nicht mehr länger sehen. Jetzt müssen wir gegenüber den Verantwortlichen unter den Weißen, auch dem Präsidenten selbst, einen harten Ton anschlagen. Die Goldgräber bringen uns viele Epidemien. Wenn es so weitergeht, dann werden wir in der Tat sterben. Mit den Tieren, den Krebsen, den Fischen, den Palmen, zusammen mit dem gesamten Wald werden wir sterben. Wir sind sehr erzürnt darüber, daß wir gemeinsam mit dem Wald vernichtet werden sollen. Wir sind sehr traurig darüber, daß der Präsident seine eigenen Leute nicht kontrollieren kann und sich um uns keine Sorgen macht. Wir möchten in Ruhe leben, wir wollen nicht sterben.
Wer wird die Goldgräber von unserem Land vertreiben? Wer wird den Vormarsch der Bauern stoppen?
Müssen wir uns selbst mit Pfeil und Bogen verteidigen? Und Sie, Präsident der Funai, worüber denken Sie nach? Ich möchte nicht auf der Seite der Yanomami stehen, ist es das, was Sie denken?
Wir wollen am Leben bleiben und in Frieden in unserem Land leben. Wir wollen gesund sein, unsere Kinder versorgen und in unseren Gärten arbeiten. Nach unserer gemeinschaftlichen Jagd möchten wir auch weiterhin unsere großen Zeremonien abhalten. Nachdem wir, die Anführer diese Punkte beraten haben, schicken wir diesen Brief."

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Der Brief wurde von Joao Davi aus Paapiu, der das Treffen koordiniert hatte, und von allen anderen Anführern unterzeichnet. Neben den 78 Anführern aus anderen Regionen, nahmen 120 Yanomami aus Paapiu Novo und Maloca Paapiu an der Versammlung teil, die in der Maloca Pakirapeu stattfand. Während des fünftägigen Treffens wurden die folgenden Hauptthemen diskutiert:

(1) Stärkung der Bündnisse zwischen Gruppen

(2) Land


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(3) Gesundheit

(4) Erziehung

Neben den Yanomami waren bei der Versammlung Vertreter der CCPY, der katholischen Diözese in Roraima, der Organisationen 'Ärzte ohne Grenzen', und 'Ärzte der Welt', der FNS und der Chefredakteur der Lokalzeitung "Funai post" anwesend. Am Ende der Versammlung übergaben die Yanomami der FUNAI vier Garimpeiros mit zwei voll mit Ausrüstung beladenen Kanus, die sie auf dem Fluß abgefangen hatten.

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2. DAS ÜBERLEBEN DER YANOMAMI WIEDER IN GEFAHR

"Das Überleben der Yanomami ist wieder einmal in ernster Gefahr. Im Gegensatz zu ihrer Verantwortung, die verfassungsmäßigen Rechte der brazilianischen Indianer zu schützen, hat sich die Bundesregierung gegenüber den sie betreffenden Problemen gleichgültig verhalten." So lautet die unerbittliche Warnung durch den NISI (Nucleus of Indigenous Health) in einem Dokument, das Auskunft über den Gesundheitszustand der indigenen Bevölkerungsgruppen gibt. Die Anzahl der Malariaerkrankungen ist sprunghaft angestiegen: im ersten Halbjahr 1998 traten fast genauso viele Fälle (4152) auf wie im gesamten Jahr1997 (4289). Das entspricht einer Zunahme um 93.6%.

Lungenentzündung wurde zur zweithäufigsten Todesursache unter den bekannten Todesfällen bei den Yanomami. Für den NISI rührt das daher, daß "die ständige Anwesenheit von Nicht-Yanomami in deren Gebiet und die Rückkehr von Patienten, die im Krankenhaus von Boa Vista aufgrund unterschiedlicher Krankheiten behandelt wurden, zu einer systematischen Verbreitung akuter Atemwegserkrankungen in dem Gebiet geführt haben, und diese, in Verbindung mit der schwachen Immunabwehr der Yanomami, einen hohen Prozentsatz der Bevölkerung in Mitleidenschaft zieht und besonders ihre Subsistenzwirtschaft beeinflußt."

Die Fälle von Durchfall und Unterernährung sind im ersten Halbjahr 1998 um 43% angestiegen. Tuberkulose ist eine weitere Krankheit, die sich unter den Yanomami ausbreitet. Unter ihnen herrscht ein zwölfmal höheres Risiko, an Tuberkulose zu erkranken, als unter der gesamten brasilianischen Bevölkerung.

Die Kindersterblichkeit, die bereits doppelt so hoch ist wie der nationale Durchschnitt, und höher als die in Angola und Uganda, stieg um nahezu 50% (47,1) auf 197,4 in der ersten Hälfte im Jahr 1998. Das bedeutet, daß eines von fünf Yanomamikindern stirbt, bevor es ein Jahr alt wird. Die Sterblichkeitsrate ist unter den Yanomami 2,5 mal höher als der nationale Durchschnitt, eine Zahl, die vergleichbar ist mit der in Angola oder Afghanistan.

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Für diese alarmierende Situation macht der NISI die Regierung verantwortlich und deren unklare Position, welche der beiden Einrichtungen - das Gesundheitsorgan FNS und die Indianerbehörde FUNAI - letztendlich für die Gesundheitsfürsorge der indigenen Bevölkerung zuständig ist. Weiter tragen dazu bei das Fehlen angemessener Kriterien für die Einstellung von Personal (einige von diesen arbeiten lieber in Büros in der Stadt als auf dem Land), Kürzungen im Gesundheitsbudget zur Folge hat, die Dezentralisierung des Gesundheitswesens und die ständige Anwesenheit von Goldgräbern infolge der Aufhebung der Grenz-überwachungsaktion durch die FUNAI im März 1996. Obwohl die Ausweisungsaktion Ende 1997 wieder aufgenommen und 1998 hindurch fortgesetzt wurde, wurde sie wegen unzureichender finanzieller Mittel eingeschränkt. "Dieses 'heimliche menschliche Kontingent', das in das Gebiet der Yanomami illegalerweise eindringt, erhält keine Behandlung gegen Malaria und ist ein garantierter überträger von Seuchen und Krankheiten in das Gebiet."

Ein weiterer Faktor, der zum Ansteigen der Krankheitsfälle beiträgt, sind die Yanomami aus Venezuela, die häufig, wegen der schlechten Gesundheitsfürsorge in ihrem eigenen Land, auf der Suche nach medizinischer Hilfe nach Brasilien wandern.
"Die Grenzgebiete Brasiliens, Venezuelas und Guyanas sind Gebiete, in denen verschiedene Krankheiten (Malaria, Gelbfieber, Hepatitis, Atemwegserkrankungen, Fluß-Blindheit, etc.) auftreten und dazu gibt es kaum oder gar keine Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitsbehörden dieser Länder auf lokaler Ebene."

Allein in einer Region, in Auaris, starben gemäß den Angaben des Instituts für Soziologie und Umwelt (ISA) 47 Indianer innerhalb der ersten acht Monate des Jahres 1998. Etwa 760 Indianer leben in 19 verstreuten Gemeinden und viele der Todesfälle sind darauf zurückzuführen, daß die Mitarbeiter der FNS-Gesundheitsfürsorge sich geweigert haben, in die entlegenen Dörfer zu reisen. Dies bedeutet, daß kranke Indianer, 'trotz ihres geschwächten Zustands, keine andere Wahl haben, als Stunden und Tage durch den Wald zu wandern, um dann an einer Versorgungsstation behandelt zu werden. Viele von ihnen sterben auf diesem Weg.'

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3.YANOMAMI-GESUNDHEITS-KRISE: FNS SUCHT DRINGEND NACH EINER NEUEN LÖSUNG

Im Jahr 1998 starben über 100 Yanomami. Fast alle Todesfälle waren solche, die nicht hätten passieren müssen, wenn eine entsprechende Behandlung zur Verfügung gestanden hätte. In anderen indigenen Gemeinschaften ist die medizinische Versorgung ebenfalls zusammengebrochen. Die Suche nach einer Lösung hat die Behörde für das Gesundheitswesen, die FNS, dazu gebracht, über radikale Veränderungen nachzudenken.

Diese sind:

Die Situation wird zusätzlich verkompliziert durch die Feindseligkeit der lokalen Politiker den Indianern gegenüber und durch die Unzufriedenheit der 200 Angestellten der FNS, die mit Kurzzeitverträgen arbeiten und nicht im Feld tätig werden wollen. Das bedeutet, daß jedwelche Entscheidung darüber, wer das Gesundheitsprogramm übernehmen soll, ebenso von diesen Faktoren abhängt und diese Entscheidung nur nach einer umfassenden Überprüfung aller dieser Aspekte getroffen werden kann. Dies wird gerade mit Gutachten und Konsultationen angegangen unter Mitwirkung aller, die mit Gesundheitsfürsorge für die Yanomami befasst sind.
Zwischen dem 23. und 26. Februar wird die FNS ein Seminar abhalten, um über die Situation zu diskutieren und darüber nachzudenken, welche Lösungen erreicht werden könnten.

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4. DER NEUE PRÄSIDENT DER FUNAI

Jose Marcio Panoff Lacerda, ein Karriere-Politiker aus Mato Grosso wurde als Präsident der FUNAI ausgewählt, als Nachfolger von Sullivan Sivestre, der bei einem tragischen Flugzeugabsturz am 2. Februar ums Leben gekommen war. In seiner Antrittsrede rief Panoff Verwunderung und Entrüstung hervor, als er sagte, daß indigene Gemeinschaften ein "ein Übermaß an Schutz durch den Staat genießen würden" und daß das Anlegen von Minen, der Holzeinschlag und die genetische Ausbeutung auf ihrem Gebieten legalisiert werden müßten.

5.SPEZIELLE BEZIRKE ZUR GESUNDHEITSFÜRSORGE FÜR DIE INDIGENE BEVÖLKERUNG (SPECIAL INDIGENOUS HEALTH DISTRICTS, DSEI)

Ein neuer Vorschlag zur Lösung der Problematik, eine angemessene Gesundheitsfürsorge für die indigene Bevölkerung bereitzustellen, wurde bereits ausführlich von Regierungsabteilungen, Indigenen Organisationen und NROs diskutiert. Es geht um die Einrichtung von "special indigenous health districts", sogenannte DSEIs. In solchen DSEI-Gebieten gibt es teilweise über 4000 Lehrer, rund 2000 Gesundheitsarbeiter und fast 100 Personen, die über eine universitäre Ausbildung verfügen. In vielen Gemeinschaften gibt es schon qualifizierte indigene Gesundheitsarbeiter, leider noch nicht unter den Yanomami. Die DSEIs würden mit dem SUS, dem nationalen Gesundheitssystem, verbunden werden. Ein entsprechender Gesetzentwurf, der die Bildung der DSEIs autorisieren würde, wurde dem Kongress vor vier Jahren von dem Abgeordneten Sergio Arouca vorgelegt, ist aber bis heute nicht verabschiedet worden.
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6. 'SURVIVAL INTERNATIONAL' SENDET EIN GESUCH AN DEN PRÄSIDENTEN

Im November schickte die Organisation 'Survival International' einen Brief an Präsident Cardoso, in dem sie ihre Besorgnis um die Todesfälle unter den Indianern in Auaris zum Ausdruck brachte und sich für die Mittelfreisetzung aussprach, um das DSY unverzüglich zu unterstützen und damit den Tod weiterer Yanomami zu verhindern. Im Brief stand: "Die langjährige Erfahrung des DSY und der Nicht-Regierungs-Organisationen, die mit den Yanomami arbeiten, zeigt, daß eine permanente und fortgeführte Gesundheitsfürsorge für die Yanomami und ihre unmittelbare Zukunft essentiell ist. Solange sich Minenarbeiter in ihrem Gebiet aufhalten, wird es unmöglich sein, die Verbreitung von Krankheiten, wie Malaria, zu verhindern." Bis Mitte Januar ist keine Antwort eingegangen.

7. NACHWIRKUNGEN DER BRÄNDE

A) ERFOLG DES HILFSPROGRAMMS

Im Jahr 1998 hatte Roraima unter den bisher schwersten Bränden zu leiden, da die Feuer der Bauern wegen der starken Dürre, die durch El Nino hervorgerufen worden war, außer Kontrolle geraten waren. Das Schutzgebiet der Yanomami wurde davon nur leicht in Mitleidenschaft gezogen. Am schwersten wurden die indigenen Gruppen in den Savannengebieten im Norden des Landes getroffen.

Einige europäische NROs und die europäische Gemeinschaft arbeiteten mit dem CIR und der CCPY zusammen, um ein Hilfsprogramm zu organisieren, welches eine Hungersnot erfolgreich abwendete und langfristige Lösungen finanzierte. Es begann mit Lebensmittelkörben, um den unmittelbaren Problemen zu begegnen. Dann erfolgte die Verteilung von Tonnen an Saatgut, das auf Gemeindeflächen ausgesäht wurde. Desweiteren wurden Artesische Brunnen gegraben und kilometerlange Rohrleitungen in die Savannengebiete gelegt, die mit Hilfe von Windmühlen Wasser von den Quellen in den Bergen zu den Dörfern leiten.
Nahezu 4000 Familien aus 182 Dörfern in den Gemeinden der Macuxi, Wapixana, Taurepang, Ingarico und Wai-Wai profitierten davon. Nahrungsmittel und Medikamente für kranke Yanomami wurden ebenfalls bereitgestellt.
Die europäischen Organisationen, welche die Mittel verteilten und die verschiedenen Projekte betreut hatten, waren Oxfam, Movimondo, CESE, ACT, Ärzte ohne Grenzen und France Liberte, die mit CIR, CCPY und Vertretern der verschiedenen indigenen Gruppen zusammenarbeiteten. Die Europäische Gemeinschaft, die die meisten Gelder bereitstellte, überwachte deren Einsatz streng. Die Behörden des Bundesstaates Roraima organisierte Hilfe für hunderte der kleinen, von der Dürre betroffenen Bauern, doch war laut der Lokalpresse, die Erfolgsrate bisher - hauptsächlich wegen dem Mangel an Verantwortlichkeit - nicht so hoch.

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B) ZUNAHME AN KOHLENDIOXID

Eine kürzlich erschienene Studie zeigt, daß die El Ni¤o-Auswirkungen auf den brasilianischen Regenwald bedeutend zur globalen Erwärmung beitragen können. Denn anstatt Kohlendioxid zu absorbieren, wie in Jahren mit normalen Wetterverhältnissen, pumpt der Regenwald überschüssigen Kohlenstoff in die Atmosphäre.

Die Studie, welche in der Dezember-Ausgabe des Magazins Nature veröffentlicht wurde, ist von Wissenschaftlern des Woods Hole Research Laboratory in Massachusetts durchgeführt worden. Sie untersuchten drei El Ni¤o-Phänomene zwischen 1980 und 1984 - und bezogen daher den El Ni¤o-Effekt des letzten Jahres noch nicht ein, der als einer der schwerwiegendsten gilt. Sie fanden heraus, daß der Regenwald bei starkem Wassermangel bis zu 200 Millionen Tonnen an überschüssigem Kohlenstoff pro Jahr produziert, weil er "unter Stress" steht und deswegen keine Photosynthese durchführen und Kohlenstoff speichern kann, wie es normalerweise der Fall wäre. Andere Forscher glauben jedoch, daß es Hinweise dafür gibt, daß Bäume als neue Kohlenstoffsenken wirken, die in zuvor abgeholzten Gebieten nachgewachsen sind.

In einer anderen, im November auf der Klimakonferenz in Buenos Aires vorgestellten Studie zeigten Forscher vom Woods Hole und dem brasilianischen Amazon Environmental Research Institute (IPAM), daß durch den ungewohnt geringen Niederschlag von 1998 die Fläche brandanfälliger Wälder auf über eine Million Quadratkilometer oder über ein Drittel der Wälder Amazoniens zugenommen hat. Ein anderer Forscher von Embrapa, der landwirtschaftlichen Forschungsanstalt, fand eine Zunahme der Anzahl an Bränden von über 300%. Der ehrgeizige PROARCO-Plan der Regierung zur Überwachung, Verhinderung und Bekämpfung der Brände Amazoniens, ist noch nicht angelaufen. Anscheinend verzögert die Bürokratie den Einsatz der 26 Millionen US$, die von der Weltbank bereitgestellt worden sind.

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8. ANGEDROHTE KÜRZUNGEN IM BEREICH DER UMWELTPROGRAMME 'EIN FEHLER'

Die Nachrichten, daß die Regierung geplant hätte, 90 Prozent der Mittel für das 'Pilot Programm zur Erhaltung des Amazonasregenwaldes' PPG-7 zu kürzen, führten zu einem Proteststurm gegen Ende letzten Jahres. Das Programm beinhaltet auch die Demarkierung indigener Reservate und Umweltschutzmaßnahmen. Die Kürzungen waren Teil der vom internationalen Währungsfond geforderten Sparmaßnahmen für das 41 Milliarden US$-Rettungspacket zur Abwendung einer Entwertung der brasilianischen Währung, die im Januar trotzdem eintrat. Was die ganze Angelegenheit noch absurder machte, war, daß die meisten der gekürzten Gelder von den G-7 Staaten zur Verfügung gestellt worden waren. Als Antwort auf einen Protestbrief von 'Survival International' erklärte der brasilianische Botschafter in London jedenfalls, daß das Ganze nur ein furchtbarer Irrtum sei. 'Die Kürzungen wurden versehentlich bei den ausländischen Beiträgen für das PPG-7-Projekts vorgenommen, daran ist einzig und allein ein technischer Rechenfehler schuld', schrieb er. Der Botschafter führte weiterhin aus, daß 'korrigierende Maßnahmen' vorgenommen worden wären, die sicherstellten, daß der Kongreß die Mittel wieder freisetzt. Die Kürzungen im Etat der Indianerbehörde Funai für das Jahr 1999 bleiben jedoch bestehen.

9. NEUER UMWELTMINISTER

Präsident Cardoso hat den Kongreßabgeordneten Jose Sarney Filho, ein Bundesbeauftragter der rechtsgerichteten PFL-Partei, zum neuen Umweltminister ernannt. Sarney Filho ist der Sohn des früheren Präsidenten Jose Sarney, und seine Ernennung hat mit dem Bedürfnis des Präsidenten zu tun, die Unterstützung der PFL im Kongreß auch weiterhin sicherzustellen.
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10. DEMARKATION FÜHRT ZU PROTEST

Im Dezember kündigte Präsident Fernando Henrique Cardoso ein ganzes Bündel an Demarkationsvorhaben in Gebieten mit indigener Bevölkerung an: 21 Gebiete wurden ratifiziert - der letzte Schritt in dem umfangreichen Kennzeichnungsvorgang, wobei zwei Gebiete ausgezeichnet wurden, unter diesen das, nach den Worten des Präsidenten, komplexeste und zugleich widersprüchlichste, nämlich das Gebiet Raposa/Serra do Sol Reservat der Macuxi-Indianer im Norden Roraimas. Das insgesamt 1.678.000 Hektar umfassende Gebiet, das die Indianer schon immer als das ihrige betrachteten, wurde als zusammenhängendes Gebiet festgelegt, was die Aufhebung der umstrittenen Entscheidung des ehemaligen Justizministers Nelson Jobim von 1996 , 'Inseln' von Goldgräbersiedlungen und Farmen in der Mitte zu belassen, zur Folge hatte. Während die Indianer über die Anerkennung der Rechtmäßigkeit ihrer Forderung höchst zufrieden waren, waren es die nichtindianischen Grundbesitzer nicht. Sie drohten mit einem wirtschaftlichen Boykott, verteilten Broschüren mit irreführendem Inhalt und ersuchten das oberste Gericht Brasiliens, ihnen das Aufenthaltsrecht zuzugestehen. CIMI beschuldigte die Grundbesitzer, mit der Bedrohung durch ein wirtschaftliches Chaos, die Rechte der Indianer ausspielen zu wollen. Das oberste Gericht lehnte es ab, den Grundbesitzern eine gerichtliche Verfügung zu gewähren und wollte sich mit dem Fall im Februar beschäftigen.

Die Gesetzgebende Versammlung Roraima's kündigte Unterstützung für die Grundbesitzer an, während die Macuxi von einer Organisation von Land- und Stadtarbeitern und Indianern unterstützt wurden, welche die Grundbesitzer bezichtigten, schon immer von der Regierung mit öffentlichen Geldern begünstigt worden zu sein. Alle Gebietsbesitzer erklärten jetzt, für Macuxi-Land werde es eine Entschädigung geben. Am 27. Januar sandte die CCPY einen Brief an den Justizminister Renan Calheiros, in dem die Beschleunigung des Kennzeichnungsvorganges des Macuxigebietes und die Entfernung von Eindringlingen angemahnt wurde. Das Schreiben forderte ebenso Maßnahmen, solche Personen zur Verantwortung zu ziehen, die eine anti-indianische Stimmung erzeugen und Gewalt gegenüber indigene Gemeinden zu ahnden.

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11. DIE REDE PRÄSIDENT CARDOSOS

Als er die Gebietsausweisungen bekanntgab, erinnerte Präsident Cardoso die Zuhörerer an seine Reputation: er selbst war neben seiner Frau Ruth ein Gründungsmitglied der brasilianischen Gesellschaft der Anthropologen, und setzte sich 1988 als Senator für die Aufnahme der Bestimmungen zur Anerkennung indigener Rechte in die Verfassung ein. Er betonte, daß die Brasilianer gegenüber den Indianern eine moralische Verpflichtung hätten, "da diese Bevölkerungsgruppen Bewahrer einer Kultur seien. Sie müssen in ihrer Umwelt erhalten werden." Der Präsident verteidigte die Notwendigkeit der Ausweisung großer Gebiete für indianische Bevölkerungsgruppen, insbesondere da es Leute gebe, die die Notwendigkeit für so viel Land für so wenige Indianer infrage stellten. "Diese Leute verstehen nichts. Erstens wissen sie nicht, daß Indianer Rechte haben. Zweitens ist ihnen unbekannt, daß die Indianer das Land brauchen, um ihre kulturellen Werte und ihre Lebensart zu pflegen. Drittens ist dieses Vorhaben die beste Möglichkeit, die Natur zu erhalten."

Präsident Cardoso erwähnte ebenfalls Brasiliens Pluralität der verschiedenen Ethnien, von indigenen Gruppen, die ihre eigene Kultur besitzen und wie dies die brasilianische Kultur stärke. Er bemerkte, daß die Zusammenarbeit der PPG-7, ebenso wie die Mitwirkung der NGOs, für das zügige Voranschreiten des Demarkierungsprozeßes sehr wichtig gewesen sei. Er sagte, daß die Regierung und die NGOs zusammenarbeiten müßten, um die Probleme der bedürftigen Bevölkerungsgruppen zu lösen.

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12. GOUVERNEUR INSTALLIERT 'INDIANERBEHÖRDE'

Der wiedergewählte Gouverneur des Staates Roraima, Neudo Campos, gab die Einrichtung einer neuen Behörde, einem 'Indianer-Ministerium" bekannt, welches Sekretariat", welches mit jährlich rund 2 Millionen Real oder 1.5 Millionen US$ ausgestattet sein wird. Das Vorhaben wurde von indigenen Führern kritisiert, da unter den 54 Mitarbeiter kein Indianer vorgesehen ist. Der Vize-Koordinator des CIR, Jose Adalberto, sagte, es seien 'Jobs für die Jungs'. Er meinte, daß wenn der Gouverneur wirklich daran interessiert wäre, den Indianern zu helfen, dann solle er mit den bereits vor Ort tätigen Organisationen zusammenarbeiten. Zehn Prozent der Bevölkerung Roraimas sind Indianer und sie bewohnen 43% der Fläche.

13. STRASSE FREIGEGEBEN

Am 23. November eröffnete Präsident Cardoso, gemeinsam mit dem aus dem Amt scheidenden Präsidenten von Venezuela, Rafael Caldera, die kürzlich asphaltierte Strasse zwischen Boa Vista und Manaus. Damit wurde die 1800 km lange Verbindung von Brasilien über Venezuela zur karibischen See fertigstellt. Bei der Gelegenheit erklärte der Außenminister Venezuelas, Miguel Burelli Rivas, daß der Bau der Hochspannungsleitung zwischen Guri-Staudamm und Boa Vista nicht unterbrochen werde, trotz der Proteste venezuelanischer Indianer, die behaupten, daß das Vorhaben Regenwaldzerstörung verursache und ihr Leben ernsthaft beeinträchtigen würde.
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14. DIE NEUE UMWELTPOLITIK DES VENEZUELANISCHEN PRÄSIDENTEN

Wenige Tage bevor er im Dezember zum Präsidenten Venezuelas gewählt wurde, teilte Hugo Chavez Frias einer Zuhörerschaft von Umweltwissenschaftlern in Caracas mit: "Wenn ich mich zwischen Gold und Wasser entscheiden müßte, zwischen Gold und tropischem Regenwald, so würde das Gold vergraben liegen bleiben". Es war ein Versprechen, das Dekret 1850 aufzuheben, welches den Tagebau im Imataca-Waldreservat ohne vorherige Rücksprache mit der ansässigen indigenen Bevölkerung erlaubt hatte. Darauf erhielt er anhaltenden Applaus. Chavez bestimmte als Koordinator seiner Umweltpolitik den kürzlich gewählten Senator Alexander Luzardo, ein Umweltwissenschaftler, der entscheidende Veränderungen in der Umweltpolitik versprochen hatte. Überdacht werden soll auch das bilaterale Projekt, Energie vom Guri-Staudamm über eine durch die Indianergebiete in beiden Ländern führende Hochspannungsleitung nach Brasilien zu führen - auch dies ohne Abstimmung mit den Betroffenen. Er teilte mit, daß die multilateralen Institutionen ihre Darlehen entsprechend angepasst hätten, die Umwelt und die indigenen Bevölkerungsgruppen zu berücksichtigen.
Luzardo sagte, daß sie das Bild Venezuelas, als einer Regierung mit geringer Sensibilität gegenüber Umweltfragen, ändern müßten und er schlug vor, das Konzept einer nachhaltigen Entwicklung in die neue Verfassung einzubringen, 'die in Umweltbelangen bisher sehr rückständig sei'. Indigene Gruppen haben damit begonnen, Vorschläge für die konstituierende Versammlung vorzubereiten.
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Wie dem auch sei, am 5. Januar veröffentlichte die Tageszeitung El Universal (Caracas) einen Artikel mit dem Inhalt, daß das Umweltministerium mit dem Misisterium für Infrastruktur (städtische Entwicklung und Transport) fusioniert werden solle, während über die Bergbau-Mafia berichte wurde, daß sie Einfluß auf Schlüsselpositionen geltend machten, um gegen die Ernennung Luzardos und anderer progressiver Umweltvertreter zu agieren.

15. SCHEIDENDE REGIERUNG ERMÄCHTIGT DIE SCHWEIZ ZUM ZUGRIFF AUF GÜTER DER YANOMAMI

Am 6. Januar unterzeichnete der Umweltminister der scheidenden Regierung Venezuelas einen Vertrag mit einer Abteilung der Universität Zürich, in dem diese ermächtigt wird, die genetischen Ressourcen im Gebiet der Yanomami zu nutzen. Der Vertrag hat eine Laufzeit von einem Jahr. In ihm ist festgeschrieben, daß indigene Gemeinden, die kooperieren, 30%, und das Ministerium 20% der Erträge der Patente erhalten. Minister Rafael Martinez Monro unterzeichnete den Vertrag in den letzten Tagen seiner Regierung, trotz der Bitte der neuen Regierung, keinen Vertrag, keine Anfrage oder Ermächtigung zu unterschreiben, die die neue Regierung kompromittieren würde. Der Vertragstext erlaubt der Schweiz den Zugriff auf Pflanzen und "unantastbare Bestandteile", was für Guillermo Guevara von ORPIA (Organisation der indigenen Bevölkerung Amazoniens), der die Existenz des Vertrages aufdeckte, bedeutet, daß die biologische Vielfalt und das tradierte Wissen der indigenen Gemeinden ausgebeutet werden soll. Indianer des Amazonas-Beckens haben eine Übereinkunft, die die Patentierung ihrer Heilpflanzen verhindert.
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16. GUYANA

Nachrichten aus Guyana zufolge plant Brasilien, eine Brücke über den Takutu-Fluß zu errichten und will dazu beitragen, die Georgetown-Lethem Strasse fertigzustellen, die den Handel und den Tourisnus zwischen beiden Ländern verstärken soll. Zur selben Zeit werden Treffen auf hoher Ebene zwischen brasilianischen und guyanesischen Diplomaten und Offizieren des Militärs organisiert, um über die Invasion von brasilianischen Garimpeiros zu diskutieren - von denen einige mit dem Flugzeug kommen - die illegalerweise Strassen bauen und manchmal legal tätige Minenarbeiter verdrängen. Mit begrenzten Polizeikräften und dem Mangel an Grenzpatrouillen, sieht sich Guyana kaum imstande, die Invasion aufzuhalten. Ein weiteres Problem ist, daß viele mit legal tätigen Minenarbeitern zusammenarbeiten. Brasiliens Botschafter in Guyana, Claudio de Couto Lyra, sagte: "Wir bedauern, daß die Situation in Guyana solch schwerwiegende Ausmaße angenommen hat und wir wiederholen unsere Verpflichtung, mit den guyanesischen Behörden zusammenzuarbeiten, um das Problem zu lösen."
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Link zu weiteren Updates:

Die CCPY ist eine brasilianische, unabhängige und gemeinnützige Organisation. Die Hauptziele bestehen in der Unterstützung der Yanomami sowie in der Verteidigung ihres Ülebens, ihrer Rechte, ihrer Kultur und ihres Landes.

Büro:
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Editorial Coordination: Claudia Andujar.
Jornalist and editor: Jan Rocha.
Correspondent: Carlo Zacquini.

Die englisch-sprachige Version der Updates werden produziert Dank der gemeinsamen Unterstützung von FAFO (NORWAY) und OXFAM (UK).
SP March 27, 1998

Die deutschsprachige Ausgabe wird von Pro REGENWALD übersetzt (Jens Harhausen, Hermann Edelmann, u.a.) und auf Wunsch verschickt.

Pro REGENWALD
Frohschammerstr. 14
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tel: 089 - 359 8650, fax: 089 - 359 6622
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