Info-Brief  Nr. 641


MANIFEST DER INDIGENEN VÖLKER BEI DER KONFERENZ „LAND UND WASSER“

„Es ist zu beklagen, dass die Regierung Luiz Inácio Lula seit zwei Jahren den Beziehungen mit den oligarchen Sektoren der Bundesstaaten, mit konservativen Politikern und mit den Eliten auf dem Land und in den Städten sowie dem Finanzsystem den Vorrang gibt. Diese Segmente sind ein unüberbrückbares Hindernis für Regierungsaktionen, etwa für die Demarkierung von indigenen Gebieten, die Landreform, den Umweltschutz, landwirtschaftliche Familienbetriebe, Gerechtigkeit und Frieden auf dem Land“.

Am 25.11.2004 präsentierten die 180 indigenen Konferenzteilnehmer ihr Manifest vor, in dem sie die aktuelle indigene Politik kritisierten.

Die Nationale Konferenz vom 22.-25.11.2004 unter dem Titel „Agrarreform, Demokratie und nachhaltige Entwicklung endet mit einem Marsch zur Zentralbank als Ausdruck des Protests gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung Lula.

Das Nationale Forum für Landreform und Gerechtigkeit auf dem Land hat die Konferenz organisiert, an der rund 9.000 Personen teilgenommen haben – Indios, Landarbeiter, Betroffene von Kraftwerken und Mitglieder von ländlichen Bewegungen. Diskutiert wurden das Entwicklungsmodell des Landes, Perspektiven der Agrarreform und Wassernutzung sowie gemeinsame Aktivitäten der sozialen Bewegungen für das Jahr 2005.

„Das ist die erste Versammlung von Landbewohnern und ländlichen Organisationen, um sich mit der Realität und der Zukunft auf dem Land und in Brasilien zu befassen“, so Bischof Tomás Balduíno, Präsident der Landpastoral bei der Eröffnung.

Auf der Tagesordnung standen auch jüngste Ereignisse, wie die Ermordung von fünf Landlosen in einem Lager der Landlosenbewegung in Minas Gerais und die gewaltsame Situation in Roraima. Fazendeiros setzten die Häuser bei vier Gemeinschaften in Brand. Ein Indios wurde verletzt, an die 200 Familien verloren ihre Unterkünfte.

José Dirceu, Minister des Zivilhauses, Luiz Dulce, vom Generalsekretariat der Präsidentschaft und Präsident Lula waren für Podiumsdiskussionen angesagt, haben ihr Kommen aber kurzfristig abgesagt. Dilma Rousseff, Ministerin für Bergbau und Energie wurde ausgepfiffen, als sie das Energieprojekt der Regierung vorstellte, das vorrangig die Wasserkraft ausnutzt.

Im „Brief der Verpflichtung“ versprachen die Teilnehmer, nach ihrer Rückkehr in die Gemeinden mit der brasilianischen Gesellschaft die aktuelle Wirtschaftspolitik und umstrittene landwirtschaftliche Modelle zu diskutieren, gegen Monokulturen, ALCA und OMC aufzutreten und sich für den Schutz des Saatgutes, der Gewässer und der Biodiversität einzusetzen.

Die Mystik am 24.11. gestalteten die Indios mit traditionellen Tänzen als Ausdruck ihrer kulturellen Vielfalt und schlossen mit einem Rad, als Symbol für das Bündnis zwischen den indigenen Völkern und den sozialen Bewegungen.

FUNAI ZÄHLTE 229 GEBIETE WENIGER ALS DER CIMI

Laut Daten des CIMI gibt es in Brasilien 842 indigene Gebiete. Diese Liste umfasst um 229 Gebiete mehr als die Liste der FUNAI, dem offiziellen indigenen Organ. Die Erhebungen stammen von den 114 CIMI-Teams, die mit den indigenen Völkern arbeiten sowie von offiziellen Angaben. Saulo Feitosa, Vize-Präsident des CIMI, präsentierte die Daten bei der Diskussion „Realität und Perspektiven für die ländlichen Gebiete Brasiliens“.

Nur bei 37 % dieser 842 Gebiete ist das Verfahren der Demarkierung abgeschlossen, das heisst, sie wurden demarkiert, homologiert, als Besitz des Bundes registriert und in den Grundbüchern eingetragen.

Bei den Gebiete, die auf der Liste der FUNAI nicht erfasst sind, besteht keine Aussicht auf Demarkierung. „Diese Situation bedeutet weiterhin Invasionen und Konflikte und mehr Gewalt gegen die indigenen Völker“, so Feitosa.

FEUER IN VIER GEMEINSCHAFTEN IN RAPOSA/SERRA DO SOL - EIN INDIO ANGESCHOSSEN

Fazendeiros zerstörten am 23.11.2004 die Aldeias Jawari, Homologação, Brilho do Sol und São José im indigenen Gebiet Raposa/Serra do Sol. Der Macuxi Jocivaldo Constantino wurde an Kopf und Arm von Kugeln verletzt.

An die 40 Personen sind in die Aldeias eingedrungen. Unter ihnen Reisproduzenten, Fazendeiros und von ihnen angeheuerte Indios. Sie zündeten Häuser an, zerstörten Felder und sperrten Strassen in das Gebiet.

Jacir José de Souza Macuxi, Koordinator des Indianerrates von Roraima, berichtete, dass der Indio Nelson da Silva verschwunden ist. Seine Dokumente und Blut wurden in der Aldeia Jawari entdeckt.

„In unserer Aldeia waren 35 Erwachsene und Kinder. Sie konnten weder persönliche Gegenstände noch Nahrungsmittel und Kleider aus ihren Häusern retten. Sie haben alles zerstört und abgebrannt“, so Júnio Constantino, der Bruder des Angeschossenen.

Als Angreifern wurden der Reispflanzer Paulo César Quartieiro – führender Grossgrundbesitzer und Bürgermeister von Pacaraima, Ivo Barelli, Ivalcir Centenário sowie der als „Curica“ bekannte Landbesetzer identifiziert. Die Gruppe zerstörte zehn Häuser mit Traktoren und legte in 13 Häusern Feuer.

Die 14 Vertreter von Raposa/Serra do Sol, die in Brasília an der Konferenz „Land und Wasser“ teilnahmen, ersuchten die Kommission für Menschenrechte und Minderheiten der Abgeordnetenkammer um Unterstützung bei den Untersuchungen der Gewaltakte. Die Kommission sagte einen Besuch in den zerstörten Aldeias zu.

Der Anwalt des CIR, Joênia Wapichana, forderte vom Sonderreferenten der Präsidentschaft, César Alvarez, ein ständiges Sonderkommando, um neue Konflikte zu verhindern. Alvarez berichtete, er habe Unterstützung vom Heer für die Region angefordert, bis eine Truppe der Bundespolizei für Ermittlungen an den Ort der Geschehen kommt.

Der Vertreter der Macuxi, Júlio José de Souza wandte sich an FUNAI-President Mércio Pereira Gomes, der versprach, „alles mögliche zu unternehmen, damit die Bundespolizei ganz genau bei den Untersuchungen vorgeht“.

„Diese und andere Gewaltakte seitens der Grossgrundbesitzer sind Folge der verzögerten Unterzeichnung der Homologation für Raposa/Serra do Sol durch den Präsidenten der Republik. Anti-indigene Sektoren in Roraima fühlen sich dadurch gestärkt. Obwohl die brasilianischen Autoritäten seit Juli ständig vor Konflikten im in indigenen Gebiet gewarnt wurden, erfolgten keine Vorkehrungen, um sie zu verhindern“, so der Indianerrat von Roraima.

Brasília, 25. November 2004
Cimi – Indianermissionsrat


.. zurück zum Überblick



Inhaltliche Rückfragen zum Text (am besten auf Portugiesisch oder Englisch) an e-mail:


Webmaster dieser Seite ist Pro REGENWALD

Wir freuen uns über Kommentare und Anfragen insbesondere über Rückmeldungen von potentiellen UnterstützerInnen - schicken Sie doch jetzt eine E-mail an