Info-Brief  Nr. 566


Vorschlag der Verfassungsänderung wird als verfassunswidrig angesehen

Der Vorschlag der Verfassungsänderung Nr. 38 von Senator Mozarildo Cavalcante (PPS-RR), der am 11.06.2003 erneut auf der Tagesordnung des Senats steht, wird von Anthropologen, Juristen und Politikern kritisiert.

Er soll die Größe der indigenen Territorien und der Naturschutzgebiete auf maximal 50% der Fläche eines Bundesstaates beschränken und dem Senat die Verantwortung für die Genehmigung der Demarkierung von indigenen Gebieten übertragen, was laut entsprechenden Erklärungen verfassungswidrig ist.

Auch der Fraktionsführer der Regierungspartei im Senat, Aloísio Mercadante (PT-SP) ist gegen den Vorschlag. In einer Audienz mit indigenen Vertretern der Kayapó, Xavante, Pankararu, Tupinambá, Fulni-ô und Maxakali sowie mit den Senatoren João Capiberibe (PSB-AP), Fátima Cleide (PT-RO) und Siba Machado (PT-AC) sagte Mercadante, dass die Regierung den Vorschlag ablehnen werde und er wahrscheinlich keine Mehrheit finden werde.

Ein Vorschlag wie dieser, gegen die indigenen Rechte, sollte nicht dreimal dem Senat einer Regierung zur Abstimmung vorgelegt werden, die sich für die indigenen Völker einsetzen will, meinte der Abgeordnete Luiz Eduardo Greenhalgh, Präsident der Kommission für Verfassung, Justiz und Bürgerrechte: "Ich hoffe, dass sich die Regierung dagegen ausspricht und dieser Vorschlag nicht mehr in den Senat kommt".

Der Anwalt und Professor Dalmo Dallari unterstreicht in seiner Analyse des Vorschlages im ersten Punkt die Verfassungsmässigkeit. Projekte, die individuelle Rechte und Garantien einschränken wollen, können laut Artikel 60 der Verfassung nicht Ziel eines Verfassungsbeschlusses sein. Sollte er doch angenommen werden, kann die Annullierung beim Obersten Gericht aufgrund seiner Verfassungswidrigkeit angestrengt werden. Als zweiten Aspekt gibt Dallari die Nachteile an, etwa in ökologischer Hinsicht. "Die Indios sind die wichtigsten Umweltschützer. Entzieht man den Indios das Land und übereignet man es nationalen Bergwerks- und Holzunternehmen werden damit die Schleusen für die Umweltzerstörung geöffnet. Der Bergbau verseucht mit Quecksilber die Flüsse und zerstört jegliches Leben, was die Indios nie machen. Der Holzeinschlag bedeutet die Vernichtung des Waldes in Amazonien. Darum muss das Land den Indios gehören". Bezüglich der Verteidigung der Grenzen stellt der Professor fest: Es lässt sich belegen, dass die Indios die besseren Wächter sind als das Heer". Diese Gründe sind ausreichend, um "diesen Vorschlag nicht anzunehmen, denn er ist gegen die Indios und widerspricht den brasilianischen Interessen; mehr noch, er ist auch gegen die Menschheit, da seine Annahme schwerwiegende Angriffe gegen die Umwelt mit sich bringen würde".

Abschliessend bemerkte der Professor, dass es keine Rechtfertigung für einen Vorschlag zur Verfassungsänderung gebe, der "nur ein Instrument ist, der lediglich einem halben Dutzend Personen wirtschaftliche Vorteile bringt, ohne jegliche ethische Verpflichtung, den Brasilianern aber großen Schaden zufügt".

João Pacheco, Anthropologe und Titularprofessor des Nationalen Museums stellt zwei Fehler in der Begründung des Vorschlages fest. Die willkürliche Anerkennung der durch die Verfassung garantierten Rechte: "Ein indigenes Gebiet wird nicht aufgrund seines Verhältnisses zur Größe des jeweiligen Bundesstaates definiert sondern durch die Tatsache, dass es sich um Land handelt, das von den Indios traditionell besiedelt wird und notwendig für das physische und kulturelle Leben der sozialen Gemeinschaft ist", so Pacheco.

Als zweiten Fehler bezeichnet der Professor die Beschränkung von Land. Die indigenen Gebiete seien längst keine Latifundien oder privilegierte Gebiete. "In den meisten brasilianischen Bundesstaaten, auch im Nordosten, Westen und Süden, von Rio Grande do Sul bis Ceará, sind die indigenen Gebiete nur ein Bruchstück der Fläche des jeweiligen Bundesstaates. Die Indios in diesen Regionen leben in Armut, auf viel zu kleinen Gebieten, deren ökologisches Gleichgewicht bereits zerstört ist. Wenn sich in Amazonien die indigenen Gebiete und die Naturschutzgebiete auf eine grössere Fläche des Bundesstaates erstrecken, hat das historische Ursachen. Hier leben die meisten Indios und sie sind auch die besten Bewahrer der Biodiversität".

Statt die Erfolge der Umweltpolitik der letzten zehn Jahre voranzutreiben soll der wirtschaftliche Fortschritt wieder in den Mittelpunkt rücken, völlig im Gegensatz zu den nachhaltigen Entwicklungsprogrammen. Brasilien würde gegen moderne Konzepte der Nutzung von Ressourcen und Land handeln. Dieser Vorschlag bescheinigt der brasilianischen Politik ein äusserst konservatives ökologisches Denken und setzt Entwicklung mit Zerstörung gleich. Die Gesetzgeber würden gleichzeitig das Zunehmen der Umweltzerstörung (um 50 %) beschliessen.

Die Philosophieprofessorin der Universität São Paulo, die sich sehr eng mit der indigenen Kultur befasst, sagte: "Ich glaube, dieser Vorschlag ist eine weitere Verirrung, wie so oft. Ich lehne ihn ab".

Der CIMI bezeichnet diesen Vorschlag wiederholt als Bruch des Verfassungsrechts der indigenen Völker.

Brasília, 05. Juni 2003.
Indianermissionsrat - CIMI


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