Initiative 2000plus in Bayern

Hintergrund

Der Kampf gegen die 'Grüne Wüste'

Brasilianische Zellstoffindustrie boomt auf Kosten von Mensch und Natur
von Barbara Happe, urgewald

Vor zehn Jahren, kurz vor dem UN-Gipfel für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro, machte das Greenpeace-Schiff Rainbow Warrior nördlich von Rio, in der Nähe der brasilianischen Hafenstadt Vitória halt. Der Protest der Umweltaktivisten richtete sich gegen soziale und ökologische Mißstände bei Aracruz, dem größten Zellstoffproduzenten der Welt. Damit konnte ein öffentlicher Auftritt des Konzernchefs auf der Rio-Konferenz verhindert werden. Einem breiten Publikum sollte dort die Konzerngeschichte als beispielhaft für einen ökologisch und sozial nachhaltigen Entwicklungsprozess präsentiert werden.

Heute laufen bei Aracruz die Bauarbeiten für eine dritte Zellstoffabrik auf Hochtouren. Ab August 2002 sollen hier weitere 700.000 t Zellstoff pro Jahr hergestellt werden. Rechtzeitig zum nächsten Umwelt- und Entwicklungsgipfel in Johannesburg will Aracruz der Welt erneut demonstrieren, wie moderne, nachhaltige Zellstoffproduktion aussieht. Denn 'Im Klopapier liegt unsere Zukunft!', so ein Werbeslogan der Firma.

Angelockt durch Förderprogramme der damaligen Militärregierung kam Aracruz vor 35 Jahren in den Südosten Brasiliens, um dort Zellstoff herzustellen. Heute sind es jährlich 1,3 Millionen Tonnen, von denen über 90 Prozent exportiert werden. Etwa zehn Prozent dieses Zellstoffs gelangt auf dem deutschen Markt, wo er zu Hygieneartikeln und Spezialpapieren weiterverarbeitet wird.

Ursprünglich bedeckte die 'Mata Atlantica' (der Atlantische Regenwald) weite Teile des Bundesstaates Espírito Santo. Heute gibt es hier doppelt so viel Plantagen wie Naturwälder. Nach eigenen Angaben verfügt Aracruz mittlerweile über 300.000 Hektar Land, die mit eintönigen Eukalyptusanpflanzungen bedeckt sind. Für die ersten Plantagen wurden in den 60er Jahren mehr als 50.000 Hektar Primärregenwald vernichtet. Danach wurden zahlreiche landwirtschaftliche Nutzflächen in Espírito Santo und dem angrenzenden Bahia in Besitz genommen. Die Tendenz ist steigend. Neben dem Bau der dritten Fabrik, die mit 600.000 US-Dollar veranschlagt ist, plant der Konzern, weitere 230 Millionen US-Dollar für den Kauf von Ländereien auszugeben. Die geplanten Investitionen werden mit einem Kredit der Nationalen Brasilianischen Entwicklungsbank in Höhe von einer Milliarde US-Dollar abgesichert.

Wo viel Land für Plantagen benötigt wird, sind Landrechtskonflikte meist vorprogrammiert. Bei der Anlage der ersten Aracruz-Plantagen wurden etwa 7.000 traditionell lebende Familien aus ihrer Heimat vertrieben. Dazu gehörten nicht nur Indigene, sondern auch 'Quilombolos', die Nachfahren geflohener Sklaven. Derzeit sind in Brasilien 743 'Quilombolo'-Gemeinden mit einer Gesamteinwohnerzahl von zwei Millionen Menschen registriert. Sie beanspruchen zusammen ein Gebiet von ca. 300.000 ha. Ein Großteil der Gemeinden konzentriert sich auf das Bundesland Bahia (über 200), in Espirito Santo sind 15 Gemeinden beheimatet. Erst ein Bruchtteil der 'Quilombolo'-Gemeinden hat bisher die gesetzliche Anerkennung ihrer Landrechte erstreiten können.

Stück für Stück weitete Aracruz in den letzten dreißig Jahren seine Plantagenflächen aus und nahm dabei auch weite Teile des Landes von zwei indigenen Völkern in Besitz. 1981 wurde den 1.600 Tupinikim und 200 Guarani ein 4.492 Hektar großes Gebiet zugesprochen. Obwohl ihnen nach Studien der Indianerbehörde FUNAI aber weitere 13.500 Hektar zustehen, erklärte sich Aracruz 1998 nach lang anhaltenden Protesten nur zur Rückgabe von 2.571 Hektar Land bereit. Weitere Besitzabtretungen versucht das Unternehmen durch finanzielle Kompensationen an die Indigenen abzuwenden.

Papierproduktion verletzt Landrechte, zerstört Arbeitsplätze, fördert Landkonzentration und schädigt Umwelt!

Heute ist Aracruz im Besitz von fast zehn Prozent der landwirtschaftlich hochwertigen Ackerflächen des Bundeslandes Espírito Santo. Das Unternehmen stellt jedoch lediglich einen Bruchteil der regionalen Arbeitsplätze: 2001 waren bei Aracruz gerade einmal 1.600 Arbeiter beschäftigt, 3.000 weitere arbeiteten in Zulieferbetrieben und auf Plantagen. Mit der Fertigstellung der dritten Fabrik werden gerade einmal 173 neue Arbeitsplätze hinzukommen. In Espírito Santo leben noch etwa 70.000 Familien von kleinbäuerlicher Landwirtschaft. Auch für diesen Bereich propagiert das Unternehmen den Anbau von Eukalyptus. Mit Erfolg: Auf 22.500 Hektar haben die Bauern bereits Eukalyptus für Aracruz gepflanzt. Damit sind sie aber nicht gut beraten, denn neuere Studien haben ergeben, dass der Anbau von Früchten in der Region zehn Arbeitsplätze pro Hektar sichert, wohingegen in der Plantagenwirtschaft 15 Hektar nötig sind, um einen einzigen Arbeitsplatz zu garantieren. Ökonomisch rentabel ist der Eukalyptusanbau für die Kleinbauern auch nicht: beim Anbau von Früchten können sie jährlich mindestens zehn mal soviel erwirtschaften.

Trotz der erwiesenen negativen Auswirkungen der Zellstoffproduktion auf den regionalen Arbeitsmarkt wird der Ausbau der Produktionskapazitäten bei Aracruz weiter durch den brasilianischen Staat gefördert. Für ihre dritte Zellstofffabrik hat Aracruz von der brasilianischen Entwicklungsbank BNDES umgerechnet 500 Millionen erhalten. Im Vergleich dazu erübrigte der brasilianische Staat im Jahr 2000 gerade einmal 300 Millionen für die kleinbäuerliche Landwirtschaft in ganz Brasilien. Die Agrarreform ist durch die kontinuierliche Ausdehnung der Plantagen in Espírito Santo zum Erliegen gekommen: in den letzten zwei Jahren hat die nationale Behörde für Besiedlung und Landreform (INCRA) keiner einzigen der rund 50.000 landlosen Familien in Espírito Santo Land zuteilen können. Der Grund: Aracruz bietet willigen Landverkäufern dreimal soviel wie INCRA zu zahlen in der Lage ist.

Die Landkonzentration hat sich somit durch die Präsenz von Aracruz weiter zugespitzt. Paradoxerweise erhält also ein Wirtschaftsunternehmen vom brasilianischen Staat Gelder, um damit die staatliche Agrarreform zu torpedieren.

Stolz präsentiert Aracruz Zahlen zur Produktivität ihrer Eukalyptusplantagen: mit 45 m3 pro Hektar und Jahr sind sie weltweit Spitzenreiter. Alle sieben Jahre können die Bäume geerntet werden. Doch die Kosten für derart schnell wachsende Bäume sind enorm: um die Produktivität der Monokulturen über mehrere Wachstumszyklen erhalten zu können, ist ein enormer Einsatz von chemischen Düngemitteln, Herbiziden und Pestiziden notwendig. Dieser ist auch für die extrem geringe biologische Vielfalt in den Plantagen verantwortlich: die Zahl der Tiere in den Eukalyptusplantagen tangiert nach Angaben von AnwohnerInnen gegen Null. Jagd und Fischfang sind für die lokale Bevölkerung kaum noch möglich.

Ein weiteres gravierendes ökologisches Problem ist die Wasserknappheit: Eukalyptus in Systemen ausgedehnter Monokultur trocknet die Böden aus, senkt die Wassermenge in den Flüssen und verringert den Stand der Wasserreserven und des Grundwassers.

Aber nicht nur die Plantagenwirtschaft wirft Probleme auf, auch die Zellstoffproduktion selbst ist ein stark umweltbelastender Prozess. Noch heute setzt Aracruz bei einem Drittel der Produktion das international längst verpönte Elementarchlor ein. Als eine positive Reaktion auf die Greenpeace-Aktion von 1992 investierte das Unternehmen aber immerhin in die Verbesserung der Abwasseranlagen. Unabhängige Kontrollen der Abwässer gibt es indes auch heute noch nicht.



zurück zur Hintergrund-Startseite





Weiterführende Informationen über Einsatz von Recyclingpapier gibt es auf der Website http://www.treffpunkt-recyclingpapier.de der überregionalen Initiative 2000plus, deren bayerischen Aktivitäten Pro REGENWALD koordiniert.