Info-Brief  Nr. 521


Pistoleiros ermorden Pataxó Hã-Hã-Hãe Vertreter

Am 18.07.2002 erschossen Pistoleiros des Fazendeiros Valdir Alves den indigenen Vertreter Raimundo Sota auf der Fazenda Braço da Dúvida in der Gemeinde Pau Brasil (Bahia), die jüngst von den Pataxó Hã-Hã-Hãe zurückgewonnen wurde.

Das Verbrechen ist die Fortsetzung einer Welle der Gewalt gegen dieses Volk, wie das CIMI-Team von Itabuna in einer Erklärung beklagte. Am 15.07.2002 haben Pistoleiros in der Gegend von Ourinho eine von den Indios zurückgewonnene Fazenda angegriffen und drei Schüsse auf den Indio Carlos da Silva (33 Jahre) abgefeuert. José Carlos wird im Spital von Camacã behandelt. Diese Pistoleiros handeln im Auftrag des Ex-Präfekten von Pau Brasil, Durval Santana, der die Fazenda für sich beansprucht. Die Pistoleiros halten das Gebiet besetzt, in das sie schon im Vorjahr mit grosskalibrigen Waffen eingedrungen sind.

Anfang 2002 ermordeten Pistoleiros auch in der Region von Ourinho den Indio Milton Matos Silva (44 Jahre) vor den Augen seines Kindes. Drahtzieher der Bluttat war der Fazendeiro Joel Brito. Angeführt vom Fazendeiro Marcos Vinícius haben Pistoleiros Ende Juni Pau Brasil überfallen und die Rolle von Polizei und Justiz übernommen. Sie beschlagnahmten ein Kakaofeld und fördern Gewaltakte gegen die Pataxó Hã-Hã-Hãe.

Am 04.Juli haben Banditen unter dem Kommando von Valdir Alves, der für den Mord an Raimundo Sota verantwortlich ist, 25 Familien auf einem zurückgewonnenen Gebiet in der Region von Taquari überfallen.

Die Gewalt wird zunehmen, wenn die Autoritäten und die Justiz nicht sofort handeln, die Mörder festnehmen, gegen die im Süden von Bahia herrschende Straffreiheit auftreten und das Recht der Pataxó Hã-Hã-Hãe auf ihr traditionelles Land garantieren.

Seit 1982 setzt sich das Volk verstärkt für die Zurückgewinnung seines traditionellen Landes von 53.400 ha in den Gemeinden Pau Brasil und Itaju do Colônia ein. In dieser Zeit wurden 15 indigene Vertreter ermordet. Das meiste Aufsehen erregte die Verbrennung von Galdino Jesus dos Santos im April 1997, als er in Brasília über die Landfrage verhandeln wollte.

Auch seit 1982 steht beim Obersten Bundesgericht ein Verfahren der Annullierung von Besitztiteln an, die von der Regierung von Bahia an Fazendeiros erteilt wurden. Aufgrund der Nachlässigkeit der Justiz haben die Pataxó Hã-Hã-Hãe bis Ende 1999 eine Fläche von 2.500 ha auf eigene Rechnung zurückerobert. Seit der Besetzung von 60 Fazendas im Oktober 2001 sind die Konflikte gestiegen. Sie sind erst dann zu lösen, wenn die Justiz die illegalen Besitztiteln aufhebt und die Invasoren vom indigenen Land abzieht.

Solange die Judikative keine Entscheidung trifft, ist es Aufgabe der Bundesregierung, die physische Integrität der Pataxó Hã-Hã-Hãe zu garantieren sowie ein Kontingent der Bundesregierung in die Region zu entsenden, um die Gemeinschaft zu schützen und die Verbrechen der Fazendeiros aufzuklären.


Mário Juruna, Ex-Kazike der Xavante, in Brasília gestorben

Am 17.07.2002 ist der Ex-Kazike und Ex-Bundesabgeordnete Mário Juruna (62 Jahre) an Nierenversagen infolge von Diabetes und Bluthochdruck in Brasília gestorben. Er wird im Schwarzen Salon der Abgeordnetenkammer aufgebahrt und in der Aldeia Namunkurá in der Gemeinde Barra do Garças (Mato Grosso) beerdigt. Er war dreimal verheiratet und hatte 14 Kinder.

Drei Jahrzehnte lang war Juruna einer der bedeutendsten Sprecher der indigenen Bewegung. National bekannt wurde er mit seinem Tonbandgerät, mit dem er Aussagen von Regierungsautoritäten aufzeichnete und danach ihre falschen Versprechen aufdeckte. 1980 erwirkte er bei der Justiz die Aufhebung des Verbots, das Land zu verlassen, um beim IV. Bertrand Russel Tribunal für Menschenrechte in Rotterdam (Niederlande) den Vorsitz zu führen.

Als erster Indio zog er 1982 als Kandidat der PDT in Rio de Janeiro in den Nationalkongress ein. Der damalige Luftwaffenminister Délio Jardim de Mattos kritisierte die Bevölkerung von Rio, sie habe für einen exotischen Akkulturierten im Lendenschurz³ gestimmt. In einem Brief fragte er den Brigadegeneral, mit wievielen Stimmen er zum Minister gewählt wurde. Auch würde ich gerne wissen, ob es in die Kompetenz ihres Ministeriums fällt, über die politischen und zivilen Rechte der Indios zu befinden. Ich wurde gewählt, um Ihnen unbequem zu sein³, schrieb er im Brief.

Seine brillante parlamentarische Karriere war von mancher Polemik begleitet. Als erster Präsident der Kommission des Indio in der Abgeordnetenkammer übergab er dem Innenminister, Oberst Mário Andreazza, im April 1983 ein Dokument mit Aussagen von 360 Indios und Missionaren, in dem die FUNAI beschuldigt wurde, gegen die Interessen der indigenen Völker zu handeln. Fünf Monate später bezeichnete er in einer Rede zur Verteidigung der Pataxó Hã-Hã-Hãe den damaligen General-Präsidenten der Republik, João Batista Figueiredo und seine Minister als korrupt und Diebe³. In der Folge drohte ihm wegen fehlendem parlamentarischen Anstand ein Prozess zur Amtsenthebung, der nie eingeleitet wurde.

Er unterstützte den Änderungsvorschlag Dante de Oliveira für die direkte Wahl des Präsidenten der Republik und klagte gegen den Unternehmer Calim Eid, wegen versuchter Bestechung. Juruna sollte im Wahlkollegium für Paulo Maluf, den Kandidaten des Militärregimes stimmen. Im April 1985 sprach er sich für Tancredo Neves, den Kandidaten der Opposition, aus.

Nach seiner Amtszeit hatte Juruna bei den nächsten Wahlen keinen Erfolg und wurde Referent der PDT in der Abgeordnetenkammer. Kränklich und im Rollstuhl lebte er in den letzten Jahren in der Satellitenstadt Guará im Bundesdistrikt.

Eine grosse Persönlichkeit des indigenen Einsatzes in Brasilien ist verstummt. Auch sein legendäres Tonbandgerät schweigt und hinterlässt Wehmut³, so der CIMI-Exekutivsekretär zum Tod von Mário Juruna.

Brasília, 18. Juli 2002
Indianermissionsrat - CIMI


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