Info-Brief  Nr. 487

Pataxó Hã-Hã-Hãe feiern Prozessausgang

Mit einem Toré (Tanz) um das Grab von Galdino Jesus dos Santos in Pau Brasil im Süden von Bahia feierten die Pataxó Hã-Hã-Hãe den Sieg des Verfahrens, das zwei Jahre lang von Polemik begleitet war. Das Interesse am viertätigen Prozess war überaus gross. Vor dem Gericht in Brasília begleiteten Dutzende das Verfahren. Im Gerichtssaal besetzten Jusstudenten die meisten der 274 Plätze. Den Indios wurden nur 32 Sitze zugestanden. Die Studenten pfiffen, als die Pataxó Hã-Hã-Hãe nach der Urteilsverkündung - 14 Jahre Haft im geschlossenen Vollzug für Max Rogério Alves, Antônio Novély Cardoso de Vilanova, Tomás Oliveira de Almeida und Eron Chaves Oliveira - applaudierten. Es war die letzte Demütigung der Indios während des Prozesses. Anfangs verfolgten die Pataxó Hã-Hã-Hãe die Verhandlung von den hinteren Reihen, bis sie in Erfahrung brachten, dass ihnen laut Gerichtsordnung die vorderen Ränge zustehen. Minervina de Jesus, die Mutter von Galdino, weinte, als sie die Angeklagten sah. Auch litt sie unter der Bedrängnis der Medien.

Für die anwesenden Pataxó Hã-Hã-Hãe, Xukuru, Truká, Tupinambá, die Tumbalalá, Macuxi und Tembé waren die Beleidigungen von Galdino bedrückend. Sie weinten, als sie die Fotos der Gerichtsmedizin sahen. Die Schwester von Galdino, Marilene de Jesus sowie die Pataxó Anaiá erlitten einen Nervenzusammenbruch. Vorsichtshalber brachte man Dona Minerva und ältere Frauen bei der Vorlage der Fotos aus dem Saal.

Die Begeisterung der Indios hielt sich in Grenzen, sogar als einer der Anwälte der Angeklagten das Ergebnis der Verhandlung vorweg mitteilte. Schliesslich mussten sie vier Jahre und sieben Monate warten und viele Hürden vor Gericht bewältigen, um einen Geschworenenprozess zu erwirken.

In Bahia wartete man besorgt und gespannt auf telefonische Informationen. Die daheimgebliebenen Indios sicherten die seit 22.10.2001 zurückgewonnenen Fazendas im indigenen Gebiet Caramuru-Catarina-Paraguassu. Von zwei Fazendas wurden sie mit Waffengewalt vertrieben. Aufgrund dieses Konflikts hat die FUNAI die Grunderhebung für die Bezahlung von Entschädigungen wieder aufgenommen.

Dona Minerva war nach dem Prozess erleichtert. Das Landproblem forderte schon zwei ihrer älteren Söhne. Gestärkt fühlt sich nun die ganze Gemeinschaft, die dreizehn ihrer Vertreter im Kampf und Land verlor. Die Verurteilung der Verbrecher ist nun eine Realität. Die Regelung der Landfrage und ein Ende der Konflikte im Süden von Bahia hängen noch von der Justiz ab. Jetzt warten die Pataxó Hã-Hã-Hãe, dass der Minister des Obersten Bundesgerichtes, Nelson Jobim, das Verfahren der Nichtigkeit von Besitztiteln zum Abschluss bringt. Mehr als 18.000 Unterschriften einer internationalen Kampagne für die Demarkierung des indigenen Gebietes wurden dem Minister übergeben. Ein 19 Jahre dauernder Traum der Pataxó Hã-Hã-Hãe könnte Wirklichkeit werden: in Frieden auf ihrem traditionellen Land leben.

Brasília, 14. November 2001
Indianermissionsrat - CIMI



Zusatz

Urteil für die Mörder von Galdino ist ein Beispiel für Gerechtigkeit

Die Verurteilung der Mörder von Galdino Jesus dos Santos ist ein Meilenstein gegen die Straffreiheit. Im Namen der brasilianischen Gesellschaft hatten sieben Geschworenen den Mut, Max Rogério Alves, Antônio Novély Cardoso de Vilanova, Tomás Oliveira de Almeida und Eron Chaves Oliveira für das Verbrechen des qualifizierten Mordes zu verurteilen, entgegen den Bestrebungen der Verteidigung, die für Körperverletzung mit Todesfolge plädierte.

Das Verhalten von Richterin Sandra de Santis schockierte die Pataxó Hã-Hã-Hãe. Ihre gefällige Behandlung der Angeklagten und ihrer Zeugen war einer Magistra unwürdig, die für ein solch umstrittenes und international beobachtetes Verfahren die Verantwortung trug.

Für die Geschworenen war es eine schwierige Aufgabe, in einem der wichtigsten Fälle der letzten Jahre abzustimmen. Sie sprachen sich für qualifizierten Mord aus niedrigen Motiven aus, grausam verübt, ohne Möglichkeit zur Verteidigung für das Opfer.

Ausgehend von der Entscheidung der Geschworenen legte Richterin Sandra de Santis das Strafausmass mit 14 Jahren fest. Das bedeutet, die Täter bleiben noch weitere vier Jahre in Haft und werden dann laut Gesetz auf Bewährung entlassen.

Journalisten und Medien warf man Parteilichkeit und Abneigung gegen die Täter vor. Dennoch wurde im Zusammenhang mit diesem Prozess die Frage der Straffreiheit sowie die Begünstigung von Kindern der brasilianischen Elite seitens der Justiz heftig debattiert. Die Bevölkerung im Bundesdistrikt und in anderen Landesteilen äusserte sich besorgt vor der Verkündigung des Urteils. Hätte sich die Verteidigung mit Körperverletzung mit Todesfolge durchgesetzt, wäre ein Aufruhr gegen die Justiz zu befürchten gewesen. Die Täter wären bereits auf Bewährung freigelassen worden.

Letztlich hat sich das Bewusstsein durchgesetzt, dass niemand ungestraft ein Verbrechen begehen kann. Für die indigenen Völker hat der Prozess die Hoffnung auf Gerechtigkeit genährt. Vielleicht schreckt das Urteil vor weiteren Verbrechen ab und gehört die Straffreiheit der Vergangenheit an.

Vier Jahre lang bezichtigte man den CIMI der öffentlichen Vorverurteilung, um einen Geschworenenprozess durchzusetzen. Die Verhandlungen beweisen, dass die Gesellschaft nicht an Rache, wohl aber an Gerechtigkeit glaubt. Das Oberste Bundesgericht könnte sich ein Beispiel an den souveränen Geschworenen nehmen und die Besitztiteln der Invasoren in die Gebiete der Pataxó Hã-Hã-Hãe annullieren.

Brasília, 13. November 2001
Indianermissionsrat - CIMI




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