Info-Brief  Nr. 436

Auseinandersetzung um Naturschutzgebiete in Indianerland

Die Beschwerde der indigenen Völker über die Einrichtung von Naturschutzgebieten in ihren Territorien führt zu Kritik seitens des Umweltministeriums und weckt antiindigene Gefühle bei Umweltschützern. Das dem Umweltministerium unterstellte Brasilianische Umweltinstitut (IBAMA) geht von 28 Naturschutzgebieten in indigenen Territorien aus. Allerdings ist diese Zahl grösser, da das IBAMA nur vom Präsidenten der Republik homologierte Gebiete als indigen anerkennt. Die Indios wiederum fordern die Demarkierung von Territorien, die als Naturschutzgebiete dekretiert wurden, wie etwa das der Náua in Acre, der Pataxó in Bahia, der Xokleng in Santa Catarina sowie der Karajá und Javaé in Tocantins. Der Nationale Rat für Umwelt (CONAMA) hat für den 14.11. eine ausserordentliche Versammlung einberufen, um über das Verhältnis 'zwischen indigenen Territorien und Naturschutzgebieten' zu beraten. Die Diskussion wird ziemlich komplex sein, zumal die Umweltschützer gegen die Rechte der Indios auf ihre demarkierten Territorien auftreten, in denen Naturschutzzonen eingerichtet wurden.

Funktionäre des IBAMA und die Teilnehmer des 2. Brasilianischen Kongresses der Naturschutzgebiete, der vom 05.-08.11. in Campo Grande stattfand, bezeichneten die Indios als Eindringlinge in Naturschutzgebiete. Der Kongress verabschiedete eine Unterschriftenaktion in deren Rahmen von den Autoritäten der 'sofortige Abzug der Invasoren und die Herstellung der demokratischen Rechtsordnung' gefordert wird. Der begleitende Text ist voller Vorurteile. Die Umweltschützer sprechen sich gegen die Demarkierung von Monte Pascoal und des Nationalparks Araguaia als indigene Gebiete aus. 'Wir erneuern unsere Position gegen jede Änderung der Bestimmung oder Kategorie der nationalen Naturschutzgebiete, die auf territoriale Rückforderungen jeglicher Art abzielen', heisst es in der Unterschriftenaktion.

Die Einrichtung von Naturschutzgebieten bedeutet meist die Vertreibung indigener Gemeinschaften und die Verkleinerung ihrer Territorien. Die indigenen Völker haben sich entschlossen, diese Gebiete zurückzugewinnen, zum Beispiel Monte Pascoal, das die Pataxó seit dem Vorjahr für sich beanspruchen oder die Insel Bananal im Nationalpark Araguaia, die von den Javaé und Karajá am 22.10.2000 eingenommen wurde.

In der Vorwoche verbreiteten Funktionäre der Abteilung Naturschutzgebiete des IBAMA im Internet einen Brief, in dem sie den Javaé und Karajá vorwerfen, dass sie seit dem 22.10. den Sitz der Umweltbehörde auf der Insel Bananal aus Protest gegen die diskriminierende Behandlung seitens des Organs besetzt halten. Die Javaé beklagten, ihnen sei die Einrichtung eines Gesundheitspostens neben der Aldeia mit der Begründung der 'Umweltzerstörung' verboten worden.

Der absurde 'Offene Brief' beschuldigt die Indios der Invasion und Gefährdung des Nationalparks Araguaia und bezeichnet sie als 'Zerstörer' des Ökosystems und Eindringlinge in ihr eigenes Land. Von der Kritik ausgespart bleiben Fazendas und andere Zerstörer der Umwelt, die von den IBAMA-Funktionären immer verschwiegen werden. Gegen diese tatsächlichen Invasoren sind die Indios seit jeher aufgetreten.

Der Nationalpark Araguai geht auf ein Dekret im Jahr 1959 zurück, das den Park über das indigene Gebiet stellte. Dem Beispiel der Pataxó in Monte Pascoal folgend wollen die Javaé und Karajá die Demarkierung der Insel Bananal als indigenes Land.

Die vom CONAMA einberufene Versammlung wird wahrscheinlich Arbeitsgruppen für die Ausarbeitung von Richtlinien einsetzen. Laut Gesetz N§ 9.985 vom 18.07.2000 über das Nationale System der Naturschutzgebiete (SNUC) sollen bis zum 14.01.2001 Richtlinien für die Regulierung der Position zwischen Naturschutzgebiet und indigenem Gebiet vorliegen.

Gemäß Bundesverfassung ist der Sachverhalt eindeutig. Ungültig sind all jene Handlungen, die auf Besetzung, Herrschaft oder Ausbeutung der im Boden, in Flüssen und Seen vorhandenen Naturschätze in traditionellen indigenen Gebieten abzielen (vgl. Art. 231, õ 6). Jeder Akt, der die Verfassungsrechte der Indios auf ständigen Besitz sowie die Nutzniessung ihrer Gebiete einschränkt, ist unrechtmäßig. Regelungen, die Naturschutzgebiete über indigene Territorien stellen (vgl. Art. 57, Gesetz 9.985/2000), sind verfassungswidrig. Ausgehend von diesem Gesetz, werden Fortbewegung und Aktivitäten der indigenen Völker, die Naturschutzgebiete bewohnen, vom IBAMA kontrolliert.

Die Indios halten an der gerechten Forderung fest, Naturschutzgebiete zurückzugewinnen. Laut CIMI fehle das Gespür, die indigene und ökologische Frage gemeinsam zu diskutieren. 'Viele Umweltschützer müssten erst einmal die Rechte der indigenen Völker kennen, die dieses Land immer hegten und pflegten, schon lange bevor europäische Kolonisatoren kamen. Das Umweltorgan sollte die Zerstörung der vielen Gebiete verhindern, die sich als wahrliche Ausbeutungslager erweisen. Auch die Bundesregierung ist aufgerufen, nicht länger nachsichtig zu sein mit Fazendeiros, Holzhändlern und Bergbauunternehmen', erklärt Roberto Liebgott, CIMI-Sekretär.

Audienz über sexuellen Missbrauch gegen Yanomami

Die Kommission für Menschenrechte der Abgeordnetenkammer stimmte einer öffentlichen Audienz zu, bei der die Anzeigen von Davi Kopenawa und Peri Xirixana Xanomami wegen sexuellen Missbrauchs und Vergewaltungung von Yanomami Frauen seitens der Militärs der 4. Truppe des Grenzheeres behandelt werden sollen.

Beantragt wurde die Audienz von der indigenen Kommission, die in dieser Woche in Brasília war, um die Resolution der Indigenen Konferenz im April weiterzuleiten. Die Abgeordneten und Indios wollen vom Heer eine Erklärung über die sexuellen Verfehlungen der Soldaten sowie die Verbreitung von Geschlechtskrankheiten in den Aldeias. Die Kommission für Menschenrechte fordert die Anwesenheit des Befehlshabers des Heeres, General Gleuber Vieira, damit er Stellung zu den Anzeigen beziehe. 'Die Anzeigen erfordern sofortige Massnahmen seitens der öffentlichen Organe', erklärte Abgeordneter Marcos Rolim (PT-RS), Präsident der Kommission. Die Kommission wird auch andere Schritte ergreifen und danach ein Datum für die öffentliche Audienz festlegen.

Brasília, 09. November 2000
Indianermissionsrat - CIMI



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