Info-Brief  Nr. 434

Bundesrichter entscheiden gegen indigene Völker

In den letzten zwei Wochen haben drei Bundesrichter bei Verfahren der Zurückgabe von Besitz vorläufige Massnahmen (richterliche Entscheidungen, die bis zum Prozessende gültig sind) verfügt, um indigene Gemeinschaften zu vertreiben, die legitim ihre Gebiete zurückgewonnen haben. Obwohl die Verfassung den Indios ihr angestammtes Land garantiert, verletzen richterliche Entscheidungen oftmals dieses Recht. Die Gemeinschaften sind ständigen Spannungen ausgesetzt. Gerichtliche Anordnungen werden von der Militärpolizei fast immer mit physischer Gewalt durchgesetzt, etwa bei den Guarani in Araça`í in Saudades (SC) am 19.10. Zwei noch nicht ausgeführte Weisungen betreffen die Kaiová von Arroyo Corá in Paranhos (MS) und die Xukuru in Pesqueira (PE). Diese Räumungen sind als Gewalt seitens der Judikative gegen die indigenen Völker zu verstehenÿ, so Saulo Feitosa, Vize-Präsident von CIMI.

Laut Bundesverfassung sind all jene Handlungen, die auf Besetzung, Herrschaft und Besitz von traditionellen Territorien abzielen, ÿungültig und ohne rechtliche Wirkung (Artikel 231, õ 6). Dennoch erteilen einige Richter gegenteilige Verfügungen zur Reintegration von Besitz. In den drei erwähnten Fällen betrachten die Richter die indigenen Völker als Invasoren in jenes Land, das ihnen durch ursprüngliches Recht gehört.

Diese Massnahmen sind nur Gewalt. Beispielsweise sind jene gegen die Xukuru ein Fehlurteil, beklagt Feitosa. Obwohl der Eindringling Marcelo Cavalcanti de Araújo nie über einen Besitztitel des von ihm beanspruchten Landes verfügte, gab Richter Ubiratan de Couto Marinho seinem Antrag statt. Das Xukuru-Gebiet wurde 1995 demarkiert. Im Dezember 1999 kauften Fazendeiros einen Teil des Territoriums. Die Urkunde über die Besitzregistrierung wurde erst im April dieses Jahres abgefasst. Der Titel wurde an einen anderen Invasor verkauft. Um das Recht des Beschwerdeführers zu legitimieren, stützte sich Richter Ubiratan auf die These, die von drei Arten des Besitzes ausgeht.

Die Homologation der Demarkierung durch den Präsidenten der Republik ist seit langem ausständig. Ohne die Grundregulierung und den Abzug der Invasoren werden die Probleme kein Ende nehmen. Als die Indios von Verkaufsverhandlungen des Landes erfahren haben, blockierten sie im Januar dieses Jahres den Zugang von Dritten. Diese Aktion löste ein Verfahren aus.

In Araça`í entschied Richter João Batista Lazzari zugunsten von Francisco Zimmer, dessen Familie das indigene Land in den 20er Jahren im Rahmen der Kolonisierung durch die Firma Terra Sul erwarb. Der Unternehmer will die Demarkierung des traditionellen Gebietes nicht anerkennen. Die Justiz ordnete den Abzug der Guarani an, obwohl die Technikergruppe die Arbeiten für die Grenzerhebung noch nicht abgeschlossen hat. Zimmer erhält von Fazendeiros der Region sowie vom Präfekten Arno Schwendler Unterstützung.

Bei einer Operation der Bundes- und Militärpolizei wurden die Guarani gewaltsam wie Tiere gehetzt und in das Gebiet Nonoai der Kaingang (RS) zurückgedrängt. Die Grenzkontrollore wurden angehalten, den Guarani nicht zu helfen.

Die wiederholt von Arroyo Corá vertriebenen Guarani weigerten sich, der Anordnung von Richter Odilon de Oliveira zugunsten des Fazendeiros Yoshie Osaku nachzukommen. Die Indios haben das Gebiet am 15.09.1999 zurückgewonnen, aus Protest gegen die Säumigkeit des indigenen Organs, eine Technikergruppe einzusetzten, nachdem sie 1983 von Fazendeiros und 1998 durch die FUNAI vertrieben wurden. Die von Fazendeiros und Unternehmen organisierte antiindigene Bewegung schreckt auch vor Gewalt nicht zurück.

Am 05.08.2000 schossen Arbeiter von Fazendeiros auf zwei Indios. Die Guarani zeigten den Täter an, der aber nicht verhaftet wurde. Am 14.01.2000 haben rund 50 bewaffnete Banditen die Gemeinschaft von Potrero Guasu überfallen, die Frauen vor den Augen ihrer Männer und Kinder vergewaltigt und Häuser niedergebrannt. Noch immer fehlen Massnahmen für die Regelung des Gebietes sowie die Bestrafung der Aggressoren.

Die Verfügungen zur Reintegration von Besitz stacheln diese Konflikte auf. Die Richter lehnen die Rückgewinnung von Land ab. Sie anerkennen nicht das ursprüngliche Recht der Indios über traditionelle Gebiete gemäss Bundesverfassung. Zum Beispiel verband Richter João Batista Lazzari bei seiner Entscheidung gegen die Guarani von Araça`í die territorialen indigenen Rechte mit dem demarkatorischen Verfahren, das mit der Gründung der Technikergruppe beginnt. Das ursprüngliche Recht der Indios ist aber unabhängig von diesem administrativen Akt.

Die meisten Konflikte zwischen Indios und Invasoren ereignen sich derzeit im Nordosten, im Süden und Zentralwesten des Landes.

Die richterlichen Entscheidungen bringen zum Ausdruck, dass private Interessen über den Interessen der indigenen Völker und dem Schutz des Besitzes des Bundes stehen.

Im Fall von Araça`í hat die Staatsanwaltschaft bei der Justiz die Habeaskorpus beantragt, um den Indios die freie Bewegung zwischen den zwei Bundesstaaten zu garantieren.

Die Staatsanwaltschaft und CIMI haben Berufung gegen die Entscheidung von Richter Odilson de Oliveira eingelegt. In Mato Grosso do Sul ergriff die FUNAI dieses Rechtsmittel, um die Vertreibung der Kaiová von Arroyo Corá zu verhindern.

Brasília, 26. Oktober 2000
Indianermissionsrat - CIMI





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