Info-Brief  Nr. 415

Bundespolizei bestreitet Gewaltanwendung am 22. April 2000

Laut den nun abgeschlossenen Untersuchungen der Bundespolizei von Bahia gab es am 22. April keine gewaltsame Ausschreitung der Militärpolizei des Bundesstaates gegen die Indios und Mitglieder der Bewegung des Widerstandes der Indios, der Schwarzen und des Volkes. Unter dem Kommando von Oberst Wellington Müller sei die Sondereinheit der Militärpolizei für die Sicherheit des Präsidenten der Republik, Fernando Henrique Cardoso, verantwortlich gewesen, der in Porto Seguro an den Feierlichkeiten der 'Entdeckung von Brasilien' teilnahm.

Aus der Sicht von Bundeskommissar Rubens Patury sollte die Aktion der Militärpolizei verhindern, dass sich 'radikale Gruppen unter die Indios mengen, um die öffentliche Ordnung zu stören'. Bei seiner Befragung verneinte Oberst Müller Aggressionen. Diese Angaben sind offenkundig falsch. Fotos und Filme belegen, dass die Polizei Tränengas gegen die Menge schleuderte, Menschen trat und einen Schwarzen an den Haaren wegzerrte. Aufgrund seines Einsatzes wurde Oberst Müller von der Regierung von Bahia zum Kommandanten der Polizeiaufsicht im Landesinneren von Bahia befördert.

Von Bundesstaatsanwalt Márcio Andrade Torres liegt noch keine Stellungnahme zum Untersuchungsergebnis vor. Die polizeiliche Ermittlung wurde von der Staatsanwaltschaft der Republik von Bahia gefordert, als Beweiserhebung für ein mögliches Strafverfahren gegen den brasilianischen Staat. Die Staatsanwaltschaft hat zwei weitere öffentliche zivile Untersuchungen in die Wege geleitet. Die erste soll klären, ob die Verhinderung der freien Manifestation und des ungehinderten Zugangs zu Porto Seguro den Tatbestand der administrativen Unredlichkeit erfüllt, die die Prinzipien der öffentlichen Verwaltung verletzen. Die zweite Untersuchung hat zum Ziel, die moralischen und materiellen Schäden gegen die Indios festzustellen.

Über die Schlussfolgerungen der Bundespolizei ist das Land schockiert. Die von nationalen und internationalen Medien dokumentierte Gewalt der Polizei von Bahia versetzte die Indios und ihre Verbündeten in Angst, fügte ihnen Schmerz zu und war eine Beleidigung. Die negativen Reaktionen auf diese Bilder konnten nicht verhindern, dass die Bundesregierung das Verbrechen leugnet. Die Bundesregierung will die Verantwortung für die Tränengasbomben gegen den friedlichen Marsch von Santa Cruz Cabrália nach Porto Seguro auf die sozialen und indigenen Bewegungen abschieben. Indessen zeigte sie der Welt erbarmungslos die Methoden der 'brasilianischen Demokratie'. Die indigenen Völker und ihre Verbündeten erwarten eine kritische Untersuchung die den Fakten tatsächlich gerecht wird. Auch wenn ihre Hoffnung diesbezüglich gering ist, werden sie weiterhin vor der Welt die Verbrechen vom April bekunden.

Kulina von Invasoren bedroht

Gegen die Kulina der Gemeinschaft Pau Pixuna richtet seit anfangs Juni ein Eindringling in ihr Land in der Gemeinde Juruá (672 km von Manaus, der Hauptstadt von Amazonas, entfernt) Morddrohungen. Kurz davor beschlossen die Indios, die Demarkierung ihres Gebietes zu beschleunigen. Am 01.06. entfernten sie alle Güter von Maria Rozendo de Oliveira Lima, um ihre Rückkehr in das indigene Land endgültig zu verhindern. Die Konflikte in der Aldeia steigen. Nur der Abzug der Invasoren kann weitere Gewalt verhindern. Die Nichtindios wollen sich nicht vertreiben lassen. Die Indios kündigen an, nicht untätig zu bleiben. Man befindet sich in einer Sackgasse und es sind wieder Tote zu befürchten. Am Morgen des 10. Mai 1998 wurde der Indio Miho Kulina von Raimundo Nonato Ribeiro da Silva, bekannt als Nonatão, ermordet. Die Verhaftung des Täters wurde gefordert, aber bisher ist das Verbrechen noch immer ungestraft.

Mörder des Indio Manchinery angezeigt

Die Bundesstaatsanwaltschaft hat an das Bundesgericht von Acre die Anklage des vorsätzlichen Mordes aus niedrigen Beweggründen gegen Francimar Souza da Silva, Erivaldo Paulo do Nascimento, Antonio José Araújo de Albuquerque und Luciano da Silva Abreu geleitet. Die vier werden der Ermordung von José Pedro Manchinery und Körperverletzung von Milton Brasil Matias Manchinery und Jorge Luis Nonato Kaxinaw beschuldigt.

Am 31.05. hat die Staatsanwaltschaft des Bundesstaates auch eine Anklage beim Gericht des Bundesstaates gegen Francimar Souza da Silva und Erivaldo Paulo do Nascimento eingebracht. Die beiden warten in der Haftanstalt von Sena Madureira auf ihren Prozess. Antonio José‚ Araújo und Luciano da Silva wurden auf Antrag der Staatsanwälte des Bundesstaates freigelassen.

Das Verbrechen am Morgen des 14.05. in Sena Madureira geht auf Vorurteile gegen Indios zurück. Nach dem Abschluss eines Kurses für Gesundheitsmitarbeiter gingen die drei Indios von einer Feier zurück in das Hotel, in dem sie untergebracht waren. Unterwegs überraschten sie fünf Männer - die vier Beschuldigten und ein Jugendlicher - und beschimpften sie. Als die Indios nicht reagierten, griff sie die Gruppe mit Messern und Stöcken an. José Pedro wurde getötet, die zwei anderen Indios erlitten schwere Abschürfungen.

Die Staatsanwaltschaft des Bundes und des Bundesstaat leiteten eine Klage bei der Staatsanwaltschaft für Kinder und Jugendlich ein und beantragten geeignete Massnahmen für den am Verbrechen beteiligten Jugendlichen. Dieser Fall könnte wieder die Kompetenzdiskussion Bundesgericht oder Gericht des Bundesstaates auslösen. Wird diese Frage aufgeworfen, kann die Entscheidungsfindung mehrere Jahre dauern.

Brasília, 15. Juni 2000
Indianermissionsrat - CIMI



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